Nachhaltig nähen – (wie) geht das?

Juli 10, 2022


Wie wir uns beim selber Nähen, der Nachhaltigkeit annähern können.

Es gibt sie nicht – die EINE Nachhaltigkeit. Je nach Blickwinkel ändert sie immer wieder ihre Facetten, denn wenn man sie ganzheitlich betrachtet, ist Nachhaltigkeit ungeheuer komplex. So kommt es, dass jede Person Nachhaltigkeit ein bisschen anders definiert. Je nachdem, worauf genau sie den Fokus legt. Per Definition ist Nachhaltigkeit ein Prinzip, bei dem langfristig nur so viele Ressourcen genutzt werden, wie die beteiligten Systeme langfristig vertragen können. Bezogen aufs Nähen bedeutet das also, dass beim nachhaltig Nähen nur so viel Material verbraucht wird, wie auf natürliche Weise nachwachsen kann, ohne dass andere Systeme dadurch einen Nachteil erleiden. Und hier ist das Problem, denn Stoff wächst (leider) nicht einfach so auf dem Acker.

Stoffe werden in teilweise aufwändigen Verfahren hergestellt, die direkte Auswirkungen auf das Klima haben – manche mehr und manche weniger. Den perfekten Stoff, der absolut nachhaltig ist, gibt es nicht. Als Hobbynäher*innen können wir uns der Nachhaltigkeit beim Nähen nur so gut es geht annähern.

Wie soll das nun funktionieren mit dem nachhaltigen Nähen? In Laufe meiner Nähkarriere habe ich drei wesentliche Prinzipien für mehr Nachhaltigkeit beim Nähen identifiziert. Hier sind sie:

  • Weniger ist mehr
  • Nutze was du hast
  • Gute Stoffe sind besser

Weniger ist mehr

Fest steht: Alles – wirklich ALLES – was Menschen produzieren, erzeugt Emissionen und hat einen Einfluss auf unsere Umwelt. Klimaneutrale Produkte (und Stoffe) gibt es nämlich nicht. Selbst der teuerste Biostoff ist nicht klimaneutral – auch dann nicht, wenn dafür ein Baum gepflanzt wurde. Einfach nur auf Biostoffe umzusteigen, kann demnach nicht die Lösung sein, wenn die selbst genähten Teile am Ende doch bloß ungenutzt im Schrank liegen oder im Zweifel sogar zu früh entsorgt werden und irgendwann als Müll auf Deponien verrotten.

Die wichtigste und zugleich schwierigste Regel für mehr Nachhaltigkeit beim Nähen lautet also: Kaufe und nähe nur, was du wirklich brauchst und lange nutzen möchtest. Klar, darf es auch mal ein Lustkauf sein. Aber er sollte die Ausnahme bleiben. Wer gewissenhaft nachhaltig nähen möchte, braucht einen Plan oder zumindest ein sehr, sehr gutes Bauchgefühl. Idealerweise kennst du deinen Stil, weißt, welche Farben und Stoffe dir stehen, auf welche Schnitte du dich konzentrieren solltest und was genau in deinem Kleiderschrank noch fehlt. Wer mit Plan näht, näht automatisch auch nachhaltiger.

Nutze was du hast

Gerade für Nähanfänger*innen ist das Prinzip des „weniger Nähens“ nur schwer umsetzbar. Meist muss man erst Erfahrung sammeln und Dinge einfach ausprobieren. Das geht am nachhaltigsten mit Stoffen, die du schon hast. Das Zauberwort heißt: Upcycling.

Alte Bettbezüge können zu Hosen oder Jacken werden, verwaschene T-Shirts zu Kinderkleidung, abgetragene Jeans zu Taschen und Accessoires usw. Sicher finden sich in Omas oder Schwiegermutters Wäscheschrank noch weiße Leinentücher, die eine wunderbare Grundlage für besonders nachhaltige Nähprojekte bilden. Und wenn die Farben nicht ganz so sind wie gewünscht, wirkt etwas Textilfarbe oft wahre Wunder.

Mit Upcycling-Projekten sammelst du Erfahrung und Sicherheit an der Nähmaschine. Zugleich nutzt du vorhandenes Material. Das schont dein Budget und die Müllberge dieser Erde wachsen etwas langsamer. Bevor du also die neuesten und tollsten Stoffe shoppst und dein Stoffregal überquillt, frage dich, ob du vorhandenes upcyceln kannst.

Am Ende ihres Lebenszyklus können diese Fasern wieder zu Erde werden.

Gute Stoffe sind besser

Manchmal aber kommt man nicht drum herum, einen neuen Stoff zu kaufen. Um beim Stoffkauf eine gute Entscheidung hinsichtlich Nachhaltigkeit beim Nähen treffen zu können, solltest du dich einmal intensiv mit Textilfasern auseinandersetzen:

Ganz grob unterscheidet man zwischen Naturfasern wie z.B. Baumwolle, Leinen und Wolle sowie Kunstfasern wie Polyester, Elasthan, Polyacryl usw. Reine Naturfasern haben den großen Vorteil, dass sie kompostierbar sind. Am Ende ihres Lebenszyklus können diese Fasern also langfristig wieder zu Erde werden. Kunstfasern werden aus Erdöl hergestellt, sind meistens sehr günstig und zersetzen sich so gut wie gar nicht. Dazwischen liegen noch die sogenannten Regeneratfasern wie Lyocell, Viskose und Cupro. Sie werden in einem aufwändigen Verfahren chemisch hergestellt, bestehen aber aus Pflanzenteilen und sind daher wie Naturfasern vollständig biologisch abbaubar.

Einen nachhaltigen Stoff im Laden oder online zu finden, ist gar nicht so einfach. Am besten konzentrierst du dich auf Fachgeschäfte, die sich auf nachhaltige Stoffe spezialisiert haben. Wenn das nicht möglich ist, achte stets genau auf die Materialauszeichnung:

  • Vermeide Mischungen aus Naturfasern mit Kunstfasern, z.B. Baumwolle mit Polyester.
  • Wähle Stoffe mit Elasthananteil nur, wenn du keine sinnvolle Alternative findest.
  • Bevorzuge Stoffe aus 100% Naturfasern oder Naturfasermischungen wie Baumwolle mit Leinen.
  • Verwende Stoffe aus Kunstfasern nur dann, wenn es technisch notwendig ist, z.B. bei Badebekleidung.

Hilfreich bei der Suche nach nachhaltigen Stoffen können auch Siegel wie GOTS oder IVN Best sein. Sie garantieren einen ökologischen Anbau der Fasern und eine umweltverträgliche Herstellung des Textils. Aber nicht alle nachhaltigen Stoffe sind immer zertifiziert, weil die Zertifizierung teuer ist und sich für einige Fasern nicht lohnt. Teilweise kann man die Bezeichnungen kbA und kbT finden. Das steht für kontrolliert biologischen Anbau bzw. Tierhaltung und ist eine Vorstufe für Bio-Siegel.

Auch die Herkunft eines Stoffes kann ein Indiz für Nachhaltigkeit sein. Je kürzer die Transportwege, desto besser. Europäisches Leinen ist z.B. nachhaltiger als Leinen aus Fernost, auch wenn der Flachs ansonsten vollkommen gleich angebaut und weiterverarbeitet wird. Verwende zum nachhaltig Nähen möglichst regionale Materialien.

Auch viele Regeneratfasern gelten als ziemlich nachhaltig, allen voran Tencel™ und EcoVero™ von der österreichischen Firma Lenzing. Neben Leinen, Hanf und Wolle sind dies die einzigen Textilfasern, die derzeit in bedeutendem Maß regional in Europa hergestellt werden können.

Schnittmuster

Fazit

Nachhaltig nähen ist gar nicht so einfach. Aber es ist auch nicht unmöglich. Setze dich so gut es geht mit deinen Stoffen auseinander. Und frage im Stoffladen ruhig einmal nach nachhaltigen Alternativen. Gut informierte Händler*innen helfen dir gern weiter.

Es geht nicht darum, alles sofort perfekt zu machen. Denn die EINE Nachhaltigkeit gibt es ohnehin nicht. Nachhaltig nähen ist kein Ziel, sondern ein Weg, den wir gemeinsam gehen können.

Ulrike

Fotos: Ulrike Ehm


Schnittmuster

Anleitung

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Schnittmuster

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